Abstract
Contributed Talk - Working Group History of Astronomy
Bund am Himmelsglobus. Abrahamitische Unterscheidung und die astronomische Ursprungsfrage neuzeitlicher Bildlichkeit
Mateusz Kapustka1
1Zürich, Schweiz, mateusz.kapustka@access.uzh.ch
Ausgehend von Antonio Zanchis Gemälde Abraham lehrt Astronomie bei den Ägyptern von 1664/65 (Venedig, S.\ Maria del Giglio) werden im Vortrag die bildnarratologischen Kontexte der Legende von Abraham als chaldäischer Erfinder der Sternenkunde thematisiert. Es handelt sich dabei um einen früh\-modernen Nachklang des in jüdisch-hellenistischen Quellen (v. a.\ in sog.\ Abra\-ham-Büchern aus dem 2.\ Jahrhundert v. Chr.) überlieferten Kulturtopos, mit dem die Anfänge der Astronomie, der Astrologie und der Arithmetik im ersten Bund Abrahams mit JHWH als transzendenter Souverän lokalisiert werden. Mit dieser schlagartigen Devaluation der Immanenz zeichnet sich zum ersten Mal die Möglichkeit ab, eine vertikale Hierarchie als Aufbaumodell für das Universum vorzustellen. Diese abrahamitische Unterscheidung, die mit dem Bildersturm des Propheten im Idolenladen seines Vaters Terach als ersten Vorzeigeakt der Treue einhergeht (Gen.\ Rabbah 38.13), setzt dementsprechend noch vor der sinaitischen Gesetzgebung exklusive Kriterien für die schöpferische Entfremdung Gottes und lässt den Sinn der ontologischen Verdammnis des Menschen zur Lesbarkeit der sinnlichen Welt aus einer astronomischen Ur-Genealogie der Subordination herleiten.\smallskip Der einzigartige barocke Rekurs auf die altjüdische Überlieferung von universalen Wissensursprüngen im astronomischen Entwurf von Transzendenz ist demnach sinnstiftend auch für die Aufgaben neuzeitlicher Bildmetaphorik. Diese wird als Werkzeug für die Sichtbarmachung ontologischer Differenzen im theokratischen Grundsatz der christlichen Weltauslegung situiert. Die in Zanchis Bild theatralisch dargestellte Beschäftigung mit astronomischen Instrumenten - v. a.\ mit dem Himmelsglobus und dem Astrolab - kultiviert den Topos der Herausbildung der christlichen Bildlichkeit aus dem ersten transzendenzbewussten Blick in die kosmische Ferne, die sich mit dem Bund Abrahams lediglich als diesseitige Hülle der jenseitigen Undarstellbarkeit entpuppt. Thematisiert wird dabei die Spiegelung und die Perspektivierung der sichtbaren Welt zwischen der holistisch-demiurgischen Objekthaftigkeit des sphärischen Universum-Modells und der planisphärischen, auf Berechnung und horizontalen Eingrenzung basierenden Repräsentation des firmamentum. Die Bilder werden in diesem Grossentwurf als Träger der normativen Metaphorizität in die Übersetzungsarbeit zwischen ontologischen Brüchen und hierarchisch prokurierten Distanzen eingebettet. In diesem Sinne leistet das Bild des Abraham als Lehrer der Ägypter einen interessanten, poetisch-genealogischen Beitrag zum frühmodernen Verständnis von Messbarkeit und Darstellbarkeit von irdischen bzw. globalen und astronomischen Grössen, die als solche erst angesichts der transzendenten Verabsolutierung apriorisch ihren endgültigen Sinn erhalten - ein Verhältnis, mit dem nicht zuletzt auch die Objektivität und die empirische Evidenz als postulierte Merkmale der im 17.\ Jahrhundert selbst auf Bildlichkeit fundierten Naturwissenschaften dem Topos allererster göttlichen Alienation weitgehend unterordnet werden.