Abstract
Contributed Talk - Working Group History of Astronomy
Die Angst der Astrologen vor der Reformation und der Theologen vor der Sintflut
Harald Gropp1
1Heidelberg, d12@ix.urz.uni-heidelberg.de
Dieser Vortrag diskutiert das Verhältnis von Astronomie und Astrologie zur Reformation in den ersten Jahren nach 1517. Auf der einen Seite löst das Ereignis von 1517 eine umfassende Revolution innerhalb der katholischen Kirche aus und führt in den folgenden Jahren zur Etablierung einer neuen Theologie, der lutherischen Theologie. Auf der anderen Seite ist die jahrtausendalte Astrologie als „Schwester der Astronomie“ in einem wechselseitigen Dialog mit der christlichen Theologie. Besonders interessant sind die gegenseitigen Befürchtungen und Ängste, d. h. die Angst der Theologen vor den Prophezeiungen der Astrologen sowie die Angst der Astrologen vor den Auswirkungen der Reformation. Dies soll an zwei Fallbeispielen erläutert werden. Dabei ist die Einstellung von wichtigen Theologen zur Astrologie durchaus unterschiedlich und nicht durch Konfessionsgrenzen vorgegeben, was am Beispiel von Luther und Melanchthon deutlich wird. Im Jahre 1524 findet wieder eine Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische statt, zusätzlich begleitet durch Konjunktionen mit allen anderen bekannten Planeten. Dies wird schon Jahre vorher von Astrologen angekündigt und kommentiert und findet in den unmittelbaren Jahren vor 1524 ein Interesse grossen Ausmasses sowohl in der allgemeinen als auch in der gelehrten Öffentlichkeit. Dabei wird die „rein astrologische“ Diskussion über eine durch die Planetenkonstellation ausgelöste Flut oder Sintflut ausgeweitet und aufgewertet zu einer Diskussion einer Sündflut im Kontext der theologischen Diskussion in den ersten Jahren der Reformation. Im zweiten Fallbeispiel geht es um konkrete Handlungen bzw. Nichthandlungen von Astrologen und anderen im Zusammenhang mit den Ereignissen der Reformation. Melanchthon verzichtet darauf, die Ostsee zu überqueren, mit Rücksicht auf das ihm von Johannes Virdung erstellte Horoskop. Der Arzt und Astrologe Lorenz Fries verlässt 1525 Strassburg fluchtartig aus Sorge um die sich ausbreitende Reformation in der Stadt. Es wird jeweils zu untersuchen sein, wie sehr astrologische oder andere Argumente im Vordergrund stehen. Insgesamt zeigen diese Jahre zwischen 1517 und 1525, wie in einer theologisch aufgewühlten und sehr durch endzeitliche Stimmung beeinflussten Grundsituation das Wechselspiel von astrologischen und theologischen Gesichtspunkten zu höchst merkwürdigen Konstellationen führt, Konstellationen auf der Erde, aber beeinflusst in der Diskussion um Konjunktionen am Himmel.