Abstract

Contributed Talk - Working Group History of Astronomy

Astronomie/Astrologie und Heilsgeschichte in der Literatur des Spätmittelalters am Beispiel des Grals im ,Parzival' Wolframs von Eschenbach

1Frank Fürbeth
1Institut für deutsche Sprache und Literatur,
Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt am Main, Fuerbeth@lingua.uni-frankfurt.de

In der deutschen Literatur des Mittelalters sind astronomische und astrologische Vorstellungen seit den Anfängen der weltlichen Literatur um 1150 immer präsent; die Reihe reicht vom ,Alexanderlied' (um 1150) bis zum ,Ring' Heinrich Wittenwilers (um 1410). Dabei dienen die literarischen Verarbeitungen zum einen der Darstellung der Makrokosmos-Mikrokosmos-Beziehungen, zum anderen der Diffamierung einzelner Handlungsträger mit ihrem astrologischen Wissen. Das Phänomen als Ganzes ist von der einschlägigen Forschung noch kaum untersucht; ich möchte mich in dem Vortrag daher einerseits einem kurzen Überblick über die Funktionen dieser literarischen Darstellungen in der Kultur der jeweiligen Rezipientenkreise widmen, und andererseits das Phänomen an einem beispielhaften Text untersuchen. Ich wähle dazu das wohl prominenteste Beispiel, den Gral im ,Parzival' (1200/1210) Wolframs von Eschenbach. Der Gral, unter dem nach der opinio communis der Abendmahlskelch vermutet wird, ist das Zeichen der Herrschaft über das Gralsreich, das im Roman als eine Verbindung von christlichem und weltlichem Reich dargestellt wird. Der astronomisch-astrologisch-kosmologische Konnex wird im Roman dadurch hergestellt, da\ss nach einem alten Buch einem arabischen Gelehrten der Gral selbst als Zeichen am Himmel in einer bestimmten Sternenkonstellation erschienen sei. Dieser Teil der Erzählung ist in der Forschung noch nicht befriedigend erklärt worden; in meinem Vortrag soll deshalb versucht werden, mögliche Quellen innerhalb der zu dieser Zeit noch nicht lange bekannten Astronomie und Astrologie der Araber zu verifizieren und daran zu zeigen, wie dieses neue Wissen mit den zeitgenössischen heilsgeschichtlichen Vorstellungen in Einklang gebracht wird und regelrecht zur zusätzlichen Legitimation einer von Gott begründeten Herrschaft herangezogen wird. Dies soll skizziert werden vor einem theologischen Hintergrund, in dem dann wenig später, etwa durch Albertus Magnus und Thomas von Aquin, die astrologischen Wissenbestände als superstitiös aus der Sternenkunde verbannt werden.